Geschichte der Nackthunde

„Nackthunde wie der Chinesische Schopfhund oder der Mexikanische Nackthund gehören zu den ältesten Hunderassen weltweit und sind bereits den großen Naturforschern Carl von Linné und Charles Darwin aufgefallen. […] Interessanterweise besitzen auch einige wildlebende Vertreter der Hundeartigen ähnliche Molaren wie die Nackthunde.“

(Forschungsmeldung der Universität Jena, Prof. Martin S. Fischer, Evolutionsbiologe, 2017)

Die damalige Geschichte der Nackthunde ist nachweisbar über archäologische und archäozoologische Forschungen, auch über Biometrie, Isotope, Morphometrie, Charakterisierungsgenetik und Paläogenetik wird geforscht.

Die frühen Anfänge

Vor 20.000 bis 11.000 Jahren wanderten Menschen und Hunde von Sibirien über die damalige Beringia-Landbrücke nach Amerika ein und besiedelten im Laufe der folgenden Jahrtausende den gesamten Kontinent. Die Hunde blieben in vielen Regionen das wichtigste Haustier, denn Hühner, Gänse, Esel, Pferde, Schafe, Schweine oder Ziegen gab es in Amerika nicht. Die Hunde liefen häufig frei, da Leinenführung und Kettenhaltung in Amerika nicht üblich waren.
The evolutionary history of dogs in the Americas: https://science.sciencemag.org/content/361/6397/81

Die Geschichte der „Nackthunde“ beginnt vor mehr als 3.000 Jahren auf dem amerikanischen Kontinent. Damit gehören sie zu den ältesten Hunderassen weltweit.

Im Bereich der Tropen und Subtropen kam es zu einer Genmutation: ein haarloser Hund erblickte das Licht der Welt und er (oder sie!) vermehrte sich. Das war die Geburtsstunde der heutigen Nackthunde, den Nachkommen der damaligen Tiere.

„Nackthunde gibt es schon seit mindestens 3700 Jahren und vermutlich gehen die heutigen Rassen, wie zum Beispiel chinesische Schopfhunde, alle auf den mexikanischen Nackthund (Xoloitzcuintle) zurück. Der Xoloitzcuintle wurde von den Azteken als heiliger Hund verehrt, und die ältesten Statuen von Nackthunden wurden auf 1700 v. Chr. datiert. Auch dem berühmten Biologen Carl von Linné fielen die Nackthunde auf. Er hat sie im Jahre 1758 in seinem Werk über die Systematik der Arten als Canis aegyptius beschrieben.“

(Forschungsmeldung der Universität Bern, Prof. Tosso Leeb, Genetiker, 2008)

Weitere Entwicklung und Verbreitung

„Wenn der Hund durch den Verlust seiner Haare Schutz vor diesen [Ektoparasiten] und anderen Insektenschädlingen erhalten sollte, dann bin ich, anstatt mich darüber zu wundern, dass in einem tropischen Land eine haarlose Hunderasse entstanden ist, eher überrascht darüber, dass es dort haarige Hunde gibt. Dass es dort haarige gibt, muss meiner Meinung nach darauf zurückzuführen sein, dass der Mensch die haarigen Rassen wegen ihrer überlegenen Schönheit und größeren Vielfalt bevorzugt und ihre Vermehrung gefördert hat.“

(Thomas Belt, Naturforscher, 1874)

Die haarlosen Hunde faszinierten bald die Menschen. Ihre Aufgaben waren vielfältig: Die Hunde dienten als Gastgeschenk, Handelsware, Jagdhund, Opfertier, Rheumaauflage, Seelenbegleiter in der Totenwelt, Schamanentier, Speisehund, Transporttier, Wachhund oder Wärmflasche in kalten Nächten. Ihre Haltung darf, wie gesagt, nicht mit der europäischen Hundehaltung gleichgesetzt werden.

Ab der „Entdeckung“ Amerikas 1492 mehren sich die Hinweise. Es kommen die Berichte zahlreicher Forscher und Forschungsreisender hinzu, die Darstellungen auf historischen Gemälden und schließlich auch Fotografien, Fachliteratur aus den Bereichen Kynologie und Ethnologie und die entsprechenden Kennels und Clubs. Ab 1519 gelangten einzelne Nackthunde nach Europa.

„Auffallend ist mir noch in Amerika, besonders in Quito und Peru, die große Zahl schwarzer haarloser Hunde gewesen. […] In Mexico war ein ganz haarloser, hundsartiger, aber dabei sehr großer Wolf Xoloitzcuintli einheimisch!“

(Alexander von Humboldt, Naturforscher, 1807)

Den amerikanischen Hunden ging es nach 1492 wesentlich schlechter. Die vielen Neusiedler beanspruchten die Ressourcen für sich und verdrängten die indigene Bevölkerung und ihre Hunde. Im Laufe der Jahrhunderte wurden die Nackthunde seltener, starben jedoch nicht komplett aus. In abgelegenen Regionen führten sie ihr freiheitliches Leben weiter, in anderen Regionen verloren sie Status und Freiheit und wurden bewusst dezimiert.

Trotz dieser Geringschätzung blieben die Nackthunderassen erhalten und haben bis zum heutigen Tag überlebt.

„Wichtiger noch als dieser Name des nackten Hundes ist die Thatsache, daß er in größerer Anzahl als jede andere Raße über das ganze, warme Südamerika verbreitet ist, obschon er, seiner Häßlichkeit und Unbrauchbarkeit wegen, gering geschätzt wird und man also seine Vermehrung eher zu hindern als zu begünstigen sucht.“

(Dr. Johann Rudolph Rengger, Naturforscher, 1830)

Als die europäische Rassehundezucht um 1880 aufblühte, fanden die Nackthunde wieder mehr Beachtung und schließlich Anerkennung. Um 1970 wurden sie fester Bestandteil der globalen Rassehundezucht. Die ungewöhnliche Geschichte der drei Rassen fasziniert heute Menschen auf der ganzen Welt.

Einige Links zur frühen Geschichte:

Gene T. Shev, Jason E. Laffoon, Sandrine Grouard, Corinne L. Hofman, 2020:
https://www.cambridge.org/core/journals/latin-american-antiquity/article/an-isotopic-and-morphometric-examination-of-island-dogs-canis-familiaris-comparing-dietary-and-mobility-patterns-in-the-precolumbian-caribbean/FF57AD5A1F77E0DDFEF6B476BB54FF84#

Sandrine Grouard, Sophia Perdikaris, Karyne Debue, 2013:
https://sciencepress.mnhn.fr/sites/default/files/articles/pdf/az2013n2a17.pdf

Links zur jeweiligen rassespezifischen Historie:

Chinese Crested

Perro sin Pelo del Peru

Xoloitzcuintle

Texte und Recherche: Simone Neusüß – Wir bedanken uns ganz herzlich für ihre Unterstützung.

Für weitere interessante Informationen: Link zu den Büchern von Simone Neusüß