Xoloitzcuintle

Der Xoloitzcuintle stammt aus Mexiko und gehört dort zum präkolonialen Erbe und Kulturgut. 1956 wurde der Xoloitzcuintle offiziell anerkannt. 1965 waren 70 Tiere beim Federación Canófila Mexicana (FCM) registriert. 1979 kamen Zuchthunde aus Mexiko nach Deutschland.

Historisches Erbe und frühe Verwandtschaft

Bei archäologischen Ausgrabungen werden auch immer wieder Hundebestattungen gefunden. Der Kiefer eines Nackthundes ist durch fehlende Backenzähne identifizierbar. In Mexiko datieren solche Mandibula-Funde um 500 – 900 n. Chr. (siehe dazu die Forschungen von Dr. Raúl Valadez Azúa, Universidad Nacional Autónoma de México, kurz UNAM). Weitere naturwissenschaftliche Forschungen siehe beispielsweise bei Sandrine Grouard, Paris.

Raúl Valadez, Gabriel Mestre, 2009: Nuestro conocimiento sobre el Xoloitzcuintle: un balance entre ciencia y tradición. Our knowledge about the Xoloitzcuintle: a balance between science and tradition.
https://www.researchgate.net/publication/303484844_Nuestro_conocimiento_sobre_el_Xoloitzcuintle_un_balance_entre_ciencia_y_tradicion_Our_knowledge_about_the_Xoloitzcuintle_a_balnace_between_science_and_tradition?fbclid=IwAR2pSIe9XJH86qXLR0jT-16IVVIzT4L78S0FET1I5_4ib8F6WgoanlUx0g8

Alicia Blanco, Christopher M. Götz, Gabriel Mestre, Bernardo Rodríguez, Raúl Valadez, 2008: El xoloitzcuintle prehispánico y el estándar actual de la raza. The pre-hispanic xoloitzcuintle and the current standard of the race.
https://www.researchgate.net/publication/303484697_El_xoloitzcuintle_prehispanico_y_el_estandar_actual_de_la_raza_The_pre-hispanic_xoloitzcuintle_and_the_current_standard_of_the_race?fbclid=IwAR38YVY5dZxqigWm6L_Bdnz9DK_ZPwCfiOcLuQcIEUavT2iZisY6vvrf_3E

https://www.researchgate.net/publication/292157651_El_xoloitzcuintle_prehispanico_y_el_estandar_actual_de_la_raza?fbclid=IwAR38YVY5dZxqigWm6L_Bdnz9DK_ZPwCfiOcLuQcIEUavT2iZisY6vvrf_3E

Gene T. Shev, Jason E. Laffoon, Sandrine Grouard, Corinne L. Hofman, 2020:
https://www.cambridge.org/core/journals/latin-american-antiquity/article/an-isotopic-and-morphometric-examination-of-island-dogs-canis-familiaris-comparing-dietary-and-mobility-patterns-in-the-precolumbian-caribbean/FF57AD5A1F77E0DDFEF6B476BB54FF84#

Sandrine Grouard, Sophia Perdikaris, Karyne Debue, 2013:
https://sciencepress.mnhn.fr/sites/default/files/articles/pdf/az2013n2a17.pdf

Obgleich die bisherigen Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, lässt sich festhalten, dass der Xoloitzcuintle noch altamerikanische Gene besitzt:

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass amerikanische Hunde [Xoloitzcuintle, Perro Peruano, Chihuahua] ein Rest der ursprünglichen amerikanischen Kultur sind. Das zeigt, wie wichtig es ist, ihre Populationen zu erhalten.“
(Prof. Peter Savolainen, Evolutionsgenetiker, 2013)

„Jüngste molekulare Studien, in denen untersucht wurde, ob die überlebenden amerikanischen Rassen original amerikanisch sind (Inuit-, Eskimo- und Grönländischer Hund, Alaskan Malamute, Chihuahua, Xoloitzcuintle und Peruanischer Nackthund) haben gezeigt, dass sie tatsächlich einen prähispanischen Ursprung haben (mit mehrdeutigen Ergebnissen für den Alaskan Malamute), aber dass bei den einheimischen Rassen Mexikos das genetische Material fast 30% europäische Abstammung aufwies, was den Versuch nahelegt, die einheimischen Rassen durch Kreuzung zu ersetzen oder zumindest die Existenz unbeaufsichtigter Kreuzungen zeigt.“

https://arqueologiamexicana.mx/mexico-antiguo/ancestros-de-los-per-ros?fbclid=IwAR2R3XgC6BU_MPlUd1LOJmISHiPWVRBm9avfx1AoIhDuda08Yaxwv4gJ5Qw

DOI: 10.1126 / science.aba957
https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rspb.2013.1142

Heidi G. Parker, Dayna L. Dreger, Maud Rimbault, Alexandra B. Mullen, Gretchen Carpintero-Ramirez, Elaine A. Ostrander, 2017: Genomic Analyses Reveal the Influence of Geographic Origin, Migration, and Hybridization on Modern Dog Breed Development.
https://doi.org/10.1016/j.celrep.2017.03.079

Darstellung in Kunst und Kultur

Vor 2400 Jahren züchteten die Maya Hunde und trieben Handel mit ihnen.

Handelsrouten in Alt-Amerika

Die Hunde dienten vermutlich kultischen Zwecken. Vielleicht ähnlich wie im Alten Ägypten wurden Tiere an den Tempeln gehalten. Der aztekische Totengott Xolotl wurde mit einem  Hundekopf abgebildet.

Dargestellt werden die Nackthunde in der Tlatilco- und der Colima-Keramik.

Colima

Keramikfiguren, die Hunde abbilden, sind in alten Schachtgräbern in ganz Mesoamerika zu finden, insbesondere im westmexikanischen Bundesstaat Colima. Einige sind mit Falten dargestellt, was darauf hinweist, dass diese Hunde wahrscheinlich kein Fell hatten, denn die haarlosen Welpen sehen faltig aus.

Colima-Hund

Die Tlatilco-Kultur (1500 – 1000 v. Chr.) ist die älteste Kultur im zentralmexikanischen Hochland.

Tlatilco-Keramik

Die Tonfiguren dienten als Grabbeigaben. Von der Colima-Kultur (200 v. – 400 n. Chr.) sind zahlreiche rote Hundefiguren und Hundegefäße erhalten, die auf die große Bedeutung der Tiere hinweisen.

Colima-Keramik
Colima-Hunde

Malerei

Ein Gemälde eines Xoloitzcuintle oder Perro sin pelo del Perú entstand um 1590 am Prager Hof. Es zeigt die Faszination für exotische Kuriositäten, die damals aus Amerika nach Europa kamen. Ein Xoloitzcuintle wurde daher in den 1580er Jahren von Iberia nach Prag geschickt, vielleicht ist es der auf dem Gemälde abgebildete Hund. Während es auf den ersten Blick so aussieht, als wären zwei Hunde auf dem Bild dargestellt, handelt es sich um denselben Hund in einem zweifachen Porträt. Vor einer grandiosen Landschaft sitzt der gefleckte Nackthund mit dem aufwendig verzierten Halsband. Künstler wie Joris und Jacob Hoefnagel oder Roelandt Jacobsz Savery, der erst ab 1604 am Prager Hof war, hielten die Exoten auf der Leinwand fest. Derselbe Hund ist wohl auf dem Gemälde von Savery „Two horses and their grooms in a landscape“ dargestellt.

https://www.sothebys.com/en/auctions/ecatalogue/2018/master-paintings-evening-sale-n09812/lot.11.html?fbclid=IwAR3m5wd81kXGupFhSwFib6LwuHicG9NwMG9RHq2hzfzbjk3ysOgNDWbd2T4

Von 1770 stammt das Gemälde „Alegoría de la Monarquía Espanola con los reinos de México y Perú“ eines unbekannten Künstlers in Mexiko-Stadt, das im Hintergrund verschiedene Tiere zeigt, darunter einen Nackthund.
http://artecolonialamericano.az.uniandes.edu.co:8080/artworks/20233

Bekannt ist das Bild des englischen Tiermalers Arthur Wardle (1864 – 1949) im Natural History Museum London, das einen Chihuahua, einen Mexikanischen Nackthund und einen Pekinesen zeigt. Ebenso bekannt ist das Gemälde des US-amerikanischen Künstlers Louis Agassiz Fuertes (1874 – 1927) mit einer Schildkröte, einem Chihuahua und einem Mexikanischen Nackthund.

Später wurden die Mexikanischen Nackthunde von Diego Rivera im Palacio National in Mexiko-City (Murales, 1929 – 1951) gemalt und von Frida Kahlo (Bsp. Selbstporträt mit Äffchen, 1945).

Mexiko Diego Rivera

Literatur

Eine frühe Quelle bildet der Codex Florentinus (1540 – 1585) von Bernardino de Sahagún, der eine Enzyklopädie von Neuspanien darstellt und in dem der Xoloitzcuintle namentlich bei den Hunden erwähnt wird. Daneben gibt der Codex Florentinus einen Hinweis darauf, dass die Azteken die Nackthunde im 14. – 16. Jahrhundert züchteten:

„Und ein Hündchen hat er [der Tote] als Begleiter, ein gelbes, das einen Faden lockerer Baumwolle als Halsband trägt, man sagt, daß es den Toten über den neunfachen Strom nach Mictlan setzt.

[…] Und nachdem vier Jahre zu Ende sind, kommt (der Tote) in die neunfache (tiefste) Unterwelt

Dort ist ein breites Wasser, Hunde sind dort die Fährleute. Sie sagen, wenn einer kommt, so schaut der Hund nach ihm aus, und wenn er seinen Herrn erkannt hat, so stürzt er sich ins Wasser, um seinen Herrn überzusetzen.
Deswegen züchten die Eingeborenen sehr viel die Hunde. Und man sagt, der weiße Hund und der schwarze können nicht nach dem Totenlande übersetzen, man sagt, der weiße spricht: „ich habe mich eben gewaschen“, und der schwarze sagt: „ich habe mich eben schwarz geschminkt“, nur er allein, der gelbe, kann über den Fluss setzen.
Und in der neunfachen Unterwelt geht alles zugrunde. Und nachdem (die Bestatter) alles fertiggemacht haben, bringen sie (den Toten) zum Feuer, und sie töten zuerst das Hündchen, danach wird (der Tote) verbrannt (und der Hund), ihn besorgen die zwei Totengräber, und einige Totengräber singen.“

(Eduard Seler, Altamerikanist, 1927, zitiert den Ethnologen Bernardino de Sahagún nach dem Codex Florentinus von 1540/85)

Jedoch nimmt die Geschichte auch eine unerwartete Wendung: In der zeitgleichen Historia animalium (1551 – 1565) von Conrad Gesner wird der Xoloitzcuintle als „Indianischer Wolf“ eingeordnet und diese Kategorisierung hält sich über Jahrhunderte, so dass selbst Alexander von Humboldt 1807 noch vom Wolf Xoloitzcuintle berichtet. Auch der Baron de Cuvier schrieb 1825 vom Wolf Xoloitzcuintle, der die warmen Gegenden Neuspaniens bewohnt.

Xoloitzcuintle bei Gesner 1669

Andere Quellen bleiben dagegen beim Hund Xoloitzcuintle:

„Außer den von den Spaniern eingeführten Hunden trifft man drei andere Arten […] Der erste, Xoloitzcuintli, ist größer als die übrigen. Seine Besonderheit ist, dass er vollkommen haarlos ist, eine weiche Haut hat, von rötlichgelber Farbe mit blauen Flecken.“

(Caecilie Seler-Sachs, Ethnologin, 1900, zitiert den Naturforscher Francisco Hernandez nach der Historia Quadrupedum Novae Hispaniae von 1651)

Quellen:
ARQUEOLOGÍA MEXICANA: El Perro Mesoamericano, Heft Nr. 125, 2014.
ARQUEOLOGÍA MEXICANA: Los Tesoros de Colima, Heft Nr. 9, 2001.
CAROT, Patricia/HERS, Marie-Areti, 2016: De perros pelones, buzos y Spondylus. Una historia continental. UNAM, Mexiko.
http://www.scielo.org.mx/scielo.php?pid=S0185-12762016000100009&script=sci_abs
tract

GESNER, Conrad, 2008: Von den Hunden und dem Wolff – Aus: Allgemeines Thier-Buch von 1669, mit Holzschnitt-Illustrationen.
SAHAGÙN, Bernardino de, 1963: Florentine Codex. General History of the Things of New Spain. Book 11, Earthly Things. Translated by Charles E. Dibble und Arthur J.O. Anderson, Taschenbuch-Ausgabe Utah, 2012.
SELER, Caecilie, 1900: Auf alten Wegen in Mexiko und Guatemala. Reiseerinnerungen und Eindrücke aus den Jahren 1895 – 1897. Ausgabe 2012, S. 351-352.
SELER, Eduard, 1927: Einige Kapitel aus dem Geschichtswerk des Fray Bernardino de Sahagún, 2016, Nachdruck des Originals von 1927, S. 156f., 297ff., 411.
SHARPE, Ashley et al., 2018: Earliest isotopic evidence in the Maya region for animal management and long-distance trade at the site of Ceibal, Guatemala. In: PNAS, March 19, 2018.
TERMER, Franz, 1957: Der Hund bei den Kulturvölkern Altamerikas. In: Zeitschrift für Ethnologie, Bd. 82/1.
VALADEZ AZÚA, Raúl/MESTRE ARRIOJA, Gabriel, 2007: Xoloitzcuintle del Enigma al Siglo XXI.
WRIGHT, Norman Pelham, 1960: El enigma del Xoloitzcuintli. Instituto Nacional de Antropología e Historia.